Neurodermitis und Diabetes mellitus Typ I sind auf den ersten Blick zwei Erkrankungen, die wenig miteinander gemein haben. Dennoch vermuten Forscher, dass zwischen den beiden Krankheiten ein Zusammenhang bestehen könnte. In einigen Studien wurde berichtet, Menschen mit Neurodermitis hätten möglicherweise ein verringertes Risiko an Diabetes mellitus Typ I zu erkranken. Eine aktuelle Studie aus Taiwan kommt nun zu einem anderen Ergebnis. Kinderärzte des China Medical University Hospital in Taichung (Taiwan) und Kollegen kommen nach Auswertung der Krankenversicherungsdaten von über 16.000 Patienten zu dem Schluss, dass bei Typ I-Diabetes das Risiko für Neurodermitis erhöht sein könnte.
In beiden Erkrankungen, Neurodermitis wie Typ I-Diabetes, spielt das Immunsystem eine Schlüsselrolle. Bestimmte Immunzellen, die sogenannten T-Helfer-Zellen (TH-Zellen), treten im Organismus in zwei verschiedenen Untergruppen auf: Es gibt TH1-Zellen und TH2-Zellen. Die Forscher einiger früherer Studien gingen nun davon aus, dass die veränderten Immunantworten beider Erkrankungen in Bezug auf die TH-Zellen gegensätzlich sind, und diese sich daher gegenseitig hemmen. Das, so vermuteten diese Autoren, hätte bei Neurodermitis-Patienten ein geringeres Risiko für Diabetes mellitus Typ I zur Folge. Doch die aktuelle Auswertung der landesweiteten Daten aus Taiwan lässt einem Bericht im British Journal of Dermatology zufolge einen anderen Schluss zu. Danach gibt es bei den Patienten mit Typ I-Diabetes 1,4-mal so viele Neurodermitis-Erkrankungen wie bei den Nichtdiabetikern. Die Forscher um Chia-Hung Kao von der China Medical University in Taiwan schließen daraus, dass Typ I-Diabetes das Risiko für Neurodermitis erhöhen könnte.
Die Immunzellen namens T-Helfer-Zellen haben die Aufgabe, bestimmte Botenstoffe auszuschütten, die anderen Zellen des Immunsystems signalisieren, dass sie in Aktion treten müssen. Sie erkennen Infektionen im Körper und setzen die entsprechende Antwort des Immunsystems in Gang. Auf diese Weise werden aber auch Entzündungen gefördert. Die von TH2-Zellen ausgeschütteten Botenstoffe (Zytokine) hemmen die Mechanismen, die zu einer TH1-Antwort führen. Die TH-Immunzellen stehen üblicherweise in einem sehr gut ausbalancierten Gleichgewicht. Dieses ist jedoch bei Neurodermitis gestört. Fehlgeleitete Immunreaktionen können sich auch gegen körpereigenes Gewebe richten. Beim Diabetes mellitus Typ I beispielsweise, einer Autoimmunerkrankung, greifen bestimmte T-Zellen, Zellen der Bauchspeicheldrüse an und zerstören diese.
Quelle:
Redaktion hautstadt; “Childhood type 1 diabetes may increase the risk of atopic dermatitis”, Lin, C.-H., Wei, C.-C., Lin, C.-L., Lin, W.-C. and Kao, C.-H., British Journal of Dermatology 2016, 174: 88–94. doi: 10.1111/bjd.14166